
Die Spaltung
Ich beobachte mit Besorgnis seit der Corona-Krise eine immer tiefere Spaltung unserer Gesellschaft. Seit meinem letzten Artikel dazu sind viele Monate vergangen – und die Gräben haben sich vertieft. Nicht nur in den sozialen Medien beobachte ich, wie auf eine wirklich unschöne Art und Weise über Menschen hergezogen wird, die in Bezug auf Corona eine andere Meinung haben: Häme, Spott und Abwertung – die Corona-Krise kehrt bei vielen Mitmenschen die hässlichsten Seiten unserer Gesellschaftskultur hervor. Vielleicht hast Du ähnliches beobachtet.
Und so teilt sich unsere Gesellschaft in die Lager der Befürworter der Corona-Maßnahmen einerseits und derjenigen, welche diese Maßnahmen ablehnen. Darüber können wir sehr emotional und hitzig diskutieren.
Eigentlich könnten Diskussionen über Sachthemen doch so schön sachlich bleiben. Wenn wir nicht in unseren Argumentationen unbewusst unsere Weltbilder und Wertesysteme mit einflechten würden. Diese meinen wir dann, vehement verteidigen zu müssen. Klar, den Andere versuchen wir mit kommunikativem Druck von unserer Version der Wahrheit zu überzeugen. Auch ich tappe zu oft in diese Falle, obwohl ich es als Kommunikationsexperte besser wissen müsste.
An diesem Druck ist schon so manche Freundschaften zerbrochen. Und auch in den Medien wird Spaltung betrieben – in den sogenannten „Alternativen“ genau so wie in denen, die dem sogenannten Mainstream zuzuordnen sind.
Ich finde es sehr traurig, wie wir miteinander umgehen und wie viel verbale Gewalt wir ausüben. Dieser Umgang widerspricht diametral meinen Werten und meiner Vision einer offenen, freundlichen, pluralistischen und verantwortungsbewussten Gesellschaft.
Wie konnte das nur geschehen – und wie kommen wir aus der Spaltung wieder zur Verbundenheit?
Lerne die Ursache erkennen
Ich sehe als Ursache für die Spaltung der Gesellschaft einen massiven Vertrauensverlust: Ein Teil der Bevölkerung hat den Autoritäten, welche sich für die Corona-Regelungen verantwortlich zeichnen, das Vertrauen entzogen. Häufig, weil sie hinter deren Entscheidungen persönliche, wirtschaftliche oder politische Gründe vermuten – oder einfach deren Fachkompetenz anzweifeln.
Bei einem Vertrauensverlust helfen keine Argumente. Wenn den Autoritäten das Vertrauen entzogen wurde, können diese sich den Mund fusslig reden. Geglaubt wird ihnen kein Deut mehr.
Das sehe ich als sehr kritisch für unsere Weltgemeinschaft an. Denn für die Bewältigung der großen anstehenden Krisen brauchen wir die Kraft und Gemeinschaft aller Menschen! Wir können es uns nicht leisten, dass die Gesellschaft sich spaltet und wichtige Entscheidungen von einem erheblichen Teil der Bürger abgelehnt werden.
Dein Beitrag zur Heilung
Mir ist bei den vielen fruchtlosen Diskussionen aufgefallen, dass wir auf eine unguten Art über Themen reden, in denen wir keine Experten sind. Auch wenn sowohl ich als auch mein Gesprächspartner so fachmännisch redeten, als wären wir Virologen, Epidemiologen oder Experte für Mund-Nasen-Schutz – im „echten Leben“ sind wir eher Experte für Steuerfragen, Marketing, Autoreparatur, Immobilien oder was auch immer.
Kombiniert mit dem Wissen darüber, dass hinter der Ablehnung von Corona-Maßnahmen und dem Glaube an Verschwörungstheorien ein massiver Vertrauensverlust steckt, kommen wir so auf den Weg zur Heilung der Gräben:
Als ersten wichtigen Schritt hilft es, dass wir unsere Energie nicht in fruchtlosen Streitgesprächen vergeuden. Anstatt uns mit Themen zu belasten, von denen wir keine Ahnung haben, sollten wir uns lieber besinnen, welche Kompetenzen und Expertisen wir alle gemein haben – um dann miteinander über die wirklich wichtigen gesellschaftlichen Themen in den Dialog zu treten!
Mit Themenfeldern wie diesen sollten wir uns beschäftigen – denn darin besitzen wir alle große Kompetenz und Expertise:
- Wie wollen wir unser Leben in der Gesellschaft gestalten?
- Welche Werte sind uns wichtig?
- Worauf wollen wir uns als Gesellschaft ausrichten – was ist unsere Vision?
- Wie wollen wir Dialoge führen, die verbinden anstatt zu trennen?
- Wie wollen wir erreichen, das gesellschaftliche Entscheidungen so getroffen werden, dass möglichst alle diese mittragen – ohne Androhung von Strafen?
Ich finde, diese Fragen sind jeglichen Dialog wert!
Praktische Anleihen aus der Wirtschaft
Interessanterweise sind moderne Unternehmen unserer Gesellschaft voraus und beschäftigen sich mit diesen Themen! So kann die Wirtschaft zu einer Blaupause für die Umgestaltung der Gesellschaft werden.
Viele moderne Unternehmen arbeiten an ihrer Vision, welche sich an den berühmten „3 P“ ausrichtet: People, Planet, Profit – also an der Balance aus den Menschlichkeit, Nachhaltigkeit und Gewinnerzielung. Bezogen auf die Gesellschaft möchte ich „Gewinn“ definieren als Steigerung des Bruttosozialglücks, so wie es uns das Königreich Buthan vor macht. In diesen modernen Unternehmen wird an einer verbindenden Dialogkultur gearbeitet, Werte der Unternehmenskultur werden heraus geschält, Hierarchien werden durchlässig, Macht und Dominanz werden abgelöst durch Kompetenz, Persönlichkeit und Entfaltung. Entscheidungen werden nicht mehr von Führungskräften getroffen, sondern von denen, welche die notwendige Sachkompetenz besitzen.
Dieses Bild würde ich gerne übernehmen für eine moderne und offene Gesellschaft, die ich mir so sehr wünsche!
Natürlich brauchen wir mehr für den Umbau der Gesellschaft. Beispielsweise unabhängige Studien, die von allen Streitparteien als Grundlage anerkannt werden. Oder transparente, nachvollziehbare und öffentliche Entscheidungsprozesse, bei denen wirklich alle relevanten Fachexperten teilnehmen. Oder die basisdemokratische Gestaltung der Regelwerke unserer Gesellschaft durch uns Bürger.
Folgen wir als Gesellschaft dem Vorbild der modernen Unternehmen! Wir haben das technologische Rüstzeug. Wir haben erprobte Methoden. Jetzt braucht es (nur) noch Wille und Tatkraft – und Mut! Vermutlich wird so manch einer der heutigen Machtinhaber einen solchen Umbau torpedieren. Das soll uns nicht aufhalten lassen, den Dialog zu eröffnen und die notwendige Erneuerung unserer Gesellschaft anzupacken.
Worauf wartest Du?
Das Schubladendenken kannst Du getrost in die Schublade stecken. Fruchtlose Diskussionen vernichtet Energie, die wir besser für den Wandel eingesetzt hätten.
Egal welche Meinung Du Dir über die Corona-Krise gebildet hast: Lasst uns die richtigen Fragen stellen – und gemeinsam Antworten finden. Damit wir eine schönere neue Gesellschaft aufbauen, welche alle Menschen, alle Lebewesen und den ganzen Planeten umarmt und integriert!
Lies weitere dazu passende Artikel:
- Charles Eisenstein: „Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich“
- Corona – Aufruf zur Verbundenheit!

Martin Bucher
Life- & Familien-Coaching
Ich begleite Organisationen und Menschen bei ihrer Entwicklung. Dabei kann ich auf einen reichhaltigen Schatz an Erfahrungen und fundierten Ausbildungen zurückgreifen.
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Bildquelle: Shutterstock.com /tutti_frutti
Charles Eisenstein schreibt da auch immer wieder drüber: https://charleseisenstein.org/essays/the-polarization-trap/
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Hallo Timo – vielen Dank für den Link. Charles Eisenstein ist einfach ein wunderbarer Denker und Autor.
„As with most polarized issues, the debate diverts attention and energy from the root causes of the problem. This debate is over how to address that symptom. The framing of the issue aggravates the issue, divides the people, and distracts attention from deeper levels of cause. In a polarized environment such as a war, the pacifist is more unpopular than the enemy. The enemy is necessary to prop up one’s own identity as being on Team Good. The pacifist calls that identity into question.“
Und super wichtig: „How can we cohere enough to transform the massive edifice of established power when we are fighting amongst ourselves over superficial, symptomatic, or manufactured “issues”? A society at war with itself cannot move forward, just as a man at war with himself can do little to change his circumstances.“
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